Wir sind gerade dabei, ein Tool für die Mitarbeiter des Radgeschäfts von Bernhard Kohl fertigzustellen. In diesem Artikel beschreibe ich kurz, wie wir von den Interviews mit den Mitarbeitern zu einem fertigen User Interface gelangen. Damit der Artikel nicht zu lange wird, beschränke ich mich auf ein einziges Feature: eine kurzfristige Arbeit eintragen.
Was ist das für ein Tool?
Der Fitstore24 – Bikepalast Kohl bietet Rad-Services für seine Kunden an. Täglich reparieren die Mechaniker ca. 10 bis 15 Fahrräder. Zur selben Zeit rufen Kunden an und machen neue Service-Termine aus oder bringen ihr Rad auf Verdacht vorbei. Im Moment werden sämtliche Termine auf Zettel mitgeschrieben. Die Mitarbeiter selbst bezeichnen den aktuellen Zustand als Zettelwirtschaft und wünschen sich etwas, womit sie die Termine einfacher verwalten können, um immer zu wissen, welche Räder bis wann fertig werden müssen.
Damit wir die Herausforderungen der Mitarbeiter verstehen konnten, haben wir mit ihnen gesprochen. Wir haben uns von den Mechanikern zeigen lassen, wie sie ihre Arbeit organisieren, und von den Verkäufern haben wir uns erklären lassen, mit welchen Wünschen die Kunden auf sie zukommen. Unser Ziel war es, ein Werkzeug für die Mitarbeiter zu entwickeln, mit dem sie ihre tägliche Arbeit einfacher und besser erledigen können als mit handgeschriebenen Zetteln.
Erzähl mir eine Geschichte!
Ein Verkäufer am Service-Schalter hat zum Beispiel erzählt, dass Räder, die verkauft werden, meist noch auf den Kunden angepasst werden. Er selbst schätzt in diesen Situationen, wie lange eine Arbeit ca. dauert, und entscheidet dann, beim Blick auf den oben abgebildeten Plan, ob sich die Reparatur heute noch ausgehen wird oder nicht. Sollte die Arbeit seiner Meinung nach gemacht werden können, schiebt er das Fahrrad in die Werkstatt. Das Problem ist, dass andere Mitarbeiter dasselbe machen und keiner diese kurzfristigen Arbeiten irgendwo vermerkt.
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Um dieses Problem zu lösen, haben wir einen Buffer für jeden Tag eingebaut. An jedem einzelnen Tag gibt es z.B. 120 Minuten für kurzfristige Arbeit. Wird eine neue Arbeit eingetragen, verringert sich dieser Buffer. Damit diese Lösung funktioniert und die Mitarbeiter alle Arbeiten eintragen, brauchen wir ein User Interface, das schnell und einfach zu bedienen ist und das nicht mehr Daten als unbedingt nötig verlangt.
Was ist die einfachste Lösung?
Wir hatten zuerst die Idee, eine Anzahl von Minuten mit einem Plus- und Minus-Button zu machen, um Minuten abzuziehen bzw. dazuzugeben. Nach mehreren Skizzen und Gesprächen sind wir aber zum Schluss gekommen, dass der Zugang eines Mitarbeiters nicht ist, Zeit irgendwo abzuziehen, sondern Arbeiten einzutragen. Arbeiten, für die er oder sie dann eine Arbeitsdauer schätzt. Die Skizze für ein mögliches User Interface könnte in diesem Fall so aussehen:
Jede Arbeit, die eingetragen wird, kann verschiedene Informationen haben, wie z.B. den Namen und die Telefonnummer eines Kunden, den Typ, die Marke und die Farbe eines Fahrrads und evtl. eine Problembeschreibung. Diese Daten werden bei normalen Service-Terminen aufgenommen, damit die Mechaniker genügend Information haben, um die Reparatur durchführen zu können.
Während diese Daten für Service-Termine wichtig sind, spielen sie bei kurzfristigen Arbeiten nur selten eine Rolle. Meistens ist es nur wichtig, wie lange eine Arbeit dauert. Man muss sich vorstellen, dass die Kunden während dieser Arbeit meist im Geschäft bleiben. Warum sollte man also ihre Telefonnummer aufschreiben? Damit die Mitarbeiter also nicht jedesmal ein langes Formular ausfüllen müssen, haben wir solange reduziert, bis wir zu dieser Lösung gekommen sind:
Die Usability-Tests haben gezeigt, dass alle Mitarbeiter mit diesem Feature umgehen konnten. Wir haben verschiedene Szenarios getestet und besonders darauf geachtet, was die Mitarbeiter in das Input-Feld eintragen. Zu unserer Freude haben sie immer genau die Infos eingetragen, die gerade wichtig waren. Wenn ein Kunde sein Rad um 15 Uhr holen kommt, haben sie z.B. neben einer kurzen Beschreibung der Arbeit einfach „15 Uhr“ geschrieben.
Wie geht’s weiter
Wir werden das Service-Tool in ca. 1 bis 2 Wochen in Betrieb nehmen. Wenn die Mitarbeiter erst einmal damit arbeiten, können wir ihre Eingaben analysieren und uns weiteres Feedback zu den einzelnen Funktionen holen. Etwa ein Monat später haben wir genug Informationen gesammelt, um die Software weiter zu verbessern und evtl. neue Features einzubauen.