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Interface-Designer sind Typografen

von Stefan Rössler am 21. November 2011

3 Kommentare zuletzt von Stefan

Wer gute User Interfaces gestalten möchte, sollte zuvor die Grundlagen der Typografie verstehen. Abgesehen von Ratschlägen zu Zeilenabständen, Absätzen und Überschriften, haben Buchtypografen in den letzten 500 Jahren aber noch andere Dinge gelernt, die uns dabei helfen, bessere Designer zu werden.

Typografie ist für Leser da und nicht für TypografenLesetypografie von Hans Peter Willberg und Friedrich Forssman

Ich habe in den letzten beiden Jahren um die zehn Typografie-Bücher gelesen. Als Referenz für diesen Artikel verwende ich aber nur Lesetypografie von Hans Peter Willberg und Friedrich Forssman. Der Grund dafür ist einfach: Die nötigen Grundlagen typografischer Gestaltung kann man aus jedem der am Ende des Artikels verlinkten Bücher lernen – wie und warum Typografie funktioniert, erfährt man nur, wenn man sie aus Sicht des Lesers betrachtet.

Bei UI-Design könnte es nicht gleicher sein. Ob ein Design gut ist oder nicht, ob es funktioniert oder nicht, erfahrt ihr, wenn ihr es aus Sicht eurer Benutzer analysiert. Die Autoren in Lesetypografie sprechen darüber, dass Bücher entsprechend der Ziele des Lesers gestaltet werden. Einen Begriff im Lexikon nachzuschlagen verlangt demnach nach einer anderen Typografie, als das Lesen eines Romans.

Jede Aufgabe verlangt andere Lösungsmethoden. Allgemeingültige Regeln kann es nicht geben.Lesetypografie

Wenn ihr euch für Design interessiert, stehen die Chancen gut, dass ihr bereits das eine oder andere Tutorial gelesen habt. Vor allem wer im Internet nach Hilfestellungen sucht, wird Dinge gelernt haben, wie Formularfelder sollten eine Auto-Completion-Funktion haben, Links sollten gut erkennbar sein und sofort ins Auge springen und das Aussehen der Unterseiten einer Webseite sollte konsistent bleiben. Diese und viele andere Anweisungen sind oft sinnvoll und bestimmt auch gut gemeint – allgemeine Gültigkeit besitzt aber keine von ihnen.

Das Einzige was stets gültig sein kann, ist die menschliche Wahrnehmung. Unabhängig von neuen Technologien, bleibt sie gemeinsam mit den Zielen der Benutzer, das bestimmtende Maß für Interface-Designer. Wer sich für die Einschränkungen der menschlichen Wahrnehmung und ihre Auswirkungen für das User Interface interessiert, dem sei Designing with the Mind in Mind von Jeff Johnson ans Herz gelegt.

Die Art, wie gelesen wird, ist der Maßstab für die Buchgestaltung – nicht Typografen-Traditionen, Ideologien oder Meinungen.Lesetypografie

Wer mit mir einmal über Design gesprochen hat, weiß, dass ich nichts von Trends und sexy Design halte. Ich will nicht, dass meine Arbeiten frisch und trendig aussehen – ich will, dass sie zeitlos erscheinen und ebensogut 10 oder 15 Jahre alt sein könnten. Aber das ist nichts weiter, als meine Meinung. Man kann diese Meinung teilen oder auch nicht. Wichtig ist nur, dass sie kein brauchbarer Maßstab bei der Gestaltung eines User Interfaces ist.

Bei guter Typografie kommt es darauf an, wie gelesen wird, bei gutem Interface-Design zählt nur, wie benutzt wird. Jeder UI-Designer sollte typografische Grundlagen verinnerlicht haben, um ansprechende Lösungen gestalten zu können – noch wichtiger ist es aber, zu verstehen, dass Interfaces aus Sicht der Benutzer gestaltet werden. Richtig ist nicht was gefällt, sondern was funktioniert.

Buchtipps für interessierte Leser

Ich habe vom Wunsch eines Lesers gehört, einige Empfehlungen für Typografie-Bücher zu geben. Diesen Artikel zu schreiben, schien mir als nötige Einleitung für meine persönliche Liste.

Unser neues Buch: Wir erklären dir in klarer und verständlicher Weise, wie UX (User Experience) in der Praxis wirklich funktioniert » Zum Buch

Lesetypografie von Hans Peter Willberg und Friedrich Forssman

Die Grundlage für diesen Artikel und ausschlaggebend dafür, wie ich über Typografie und Gestaltung denke. Als ich mir das Buch gekauft habe, hat es stolze 98 Euro gekostet. Im Moment bekommt man es um 39,80 Euro auf amazon.de

Formulare gestalten von Borries Schwesinger

Der Auffassung des Autors zufolge ist das Ausfüllen von Formularen, nichts anderes als ein Dialog zwischen Ausfüllendem und Formular. Dementsprechend sollten Formulare auch gestaltet werden. Wissenswertes über typografische Grundlagen und große Hilfe bei der Gestaltung von Online-Formularen.

The Elements of Typographic Style von Robert Bringhurst

Nach einer umfassenden Einführung der wichtigsten Elemente zeigt der Autor, die Zusammenhänge zwischen Typografie und Musik. Der Zugang lautet, Text nicht einfach hinzuschreiben, sondern ihn wie ein Musikstück zu komponieren. Leider nur auf englisch verfügbar.

Rastersysteme für die visuelle Gestaltung von Josef Müller-Brockmann

Josef Müller-Brockmann war dafür bekannt, Rastersysteme als Grundlage seiner Arbeiten zu verwenden. In diesem Buch zeigt er nicht nur, wie unterschiedliche Raster entworfen werden, sondern wie man Rastersysteme z.B. zur Gestaltung von Ausstellungsräumen verwenden kann.

Thinking with type: A Critical Guide for Designers, Writers, Editors, & Students (Design Briefs) von Ellen Lupton

Guter Einstieg in das Thema Typografie. Viele Praxisbeispiele und einfache Erklärungen. Das Buch ist mit 22 Euro auf amazon.de außerdem eines der günstigsten meiner Liste. Wer die Grundlagen bereits kennt, kann auf dieses Buch aber verzichten.

Erste Hilfe in Typografie von Hans-Peter Willberg und Friedrich Forssman

Von den selben Autoren wie Lesetypografie. Wer wenig Zeit hat und nicht viel Geld ausgeben möchte, sollte mit diesem, gerade einmal 100 Seiten dicken Büchlein beginnen. Die Autoren sind gute Lehrer und erklären anschaulich und verständlich.

Ich hoffe ihr könnt mit dieser Liste etwas anfangen und würde mich über Ergänzungen und weitere Lese-Tipps freuen. Kennt ihr Bücher, Blog-Artikel oder Magazine zum Thema Typografie, die einem Interface-Designer bei der Arbeit helfen können?

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Bisher 4 Kommentare

  1. Natascha25. November 2011

    Ich finde vom Kurt Glänzer das Take me With You auch ziemlich super.

  2. Lukas30. November 2011

    „Ein Leser“ bedankt sich für die Buchempfehlungen ;) … Was die Nachhaltigkeit und Zeitlosigkeit angeht stimme ich dir völlig zu. Ich finde es als Entwickler darüber hinaus eine Herausforderung die menschliche Wahrnehmung richtig einzuschätzen. Gerade in der heutigen Zeit wo sich das menschliche Bewusstsein (vielleicht gerade durch die Informationstechnologie) in einem relativ schnellen Wandel befindet. … Auf jeden Fall auch danke für die Anregungen zum Nachdenken.

  3. Stefan1. Dezember 2011

    @Natascha: liegt schon im Büro … werd ich mir ansehen. Danke.

    @Lukas: Hallo, schön dich endlich kennenzulernen ;). Du hast recht, die menschliche Wahrnehmung richtig einzuschätzen bzw. zu kennen, ist der Schlüssel zum Erfolg. Ich denke aber, dass sich diese Wahrnehmung gar nicht so schnell wandelt, wie man meinen könnte, wenn man die Kurzlebigkeit von Trends und technischen Spielereien betrachtet.

    Wie das menschliche Gehirn funktioniert, kann als relativ fix und gleichbleibend betrachtet werden – wichtig bleibt die Frage nach der Motivation und den Zielen eines Menschen. Wenn du dich für dieses Thema interessierst, kann ich nur noch einmal Designing with the Mind in Mind von Jeff Johnson empfehlen.

  4. Pingback Flexibles Rastersystem für Responsive-Webdesign im Browser | Simplease Blog9. Januar 2012

    […] in einem früheren Artikel bereits angemerkt, sind Interface-Designer auch Typografen. Dieser Artikel hat sich, wenn man so will, mit Makrotypografie oder dem Layout beschäftigt. Um […]

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