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Im Simplease-Blog schreiben wir über Design, Web-Entwicklung und unser Leben als Selbstständige.

Die überraschend einfachen Geheimnisse eines guten Interviews

von Stefan Rössler am 12. September 2011

In den letzten 2 Jahren haben wir mehr als 50 Interviews geführt. Interviews mit Auftraggebern, Projektmitarbeitern und zukünftigen Benutzern unserer Software. Diese Gespräche sind der Ausgangspunkt für die Gestaltung des User Interface, und fixer Bestandteil unserer Recherche-Phase.

Weil wir diese Woche wieder einige Telefon-Interviews führen werden, und wir uns gerade darauf vorbereiten, dachten wir, es wäre vielleicht hilfreich, wenn wir das, was wir über diese Interviews gelernt haben, mit euch teilen.

Die erste Frage ist das halbe Interview

Es hat sich gezeigt, dass die erste Frage eines Interviews einen starken Einfluss auf den weiteren Verlauf des Gesprächs hat. Das Wichtigste einer guten ersten Frage ist, das sie nicht mit Ja oder Nein beantwortet werden kann. Wir bitten die Leute meistens, aus ihrem Alltag zu erzählen, und fragen so etwas wie, wie sieht eigentlich ein ganz normaler Arbeitstag bei Ihnen aus?

Wenn die erste Frage funktioniert, wird der Interview-Partner zum Geschichtenerzähler. Er verlässt die Rolle des Schülers, der korrekte Antworten geben will, und beginnt offen zu reden. Viele Menschen sind vor einem Interview leicht nervös – die erste Frage muss diese Nervosität auflösen. Wenn die Leute merken, dass sie keine richtigen oder falschen Antworten geben können, wird ein verkrampftes Interview zu einem lockernen Gespräch.

Interviews immer zu zweit

Wir machen Interviews immer zu zweit. Es gibt Einen, der die Fragen stellt, und Einen der mitschreibt. Wir machen keine Audio- oder Videoaufnahmen der Gespräche. Warum? Weil wir nach 8 Stunden Interviews, nicht auch noch Lust auf 8 Stunden Analyse von Interviews haben. Und weil ein lockeres Gespräch nur schwer möglich ist, wenn eine Kamera läuft, oder ein Aufnahmegerät am Tisch liegt.

Außerdem haben wir bemerkt, dass Zwei mehr sehen als Einer. Gerade wenn Einer alleine ein Interview führt, kommt es schnell vor, dass einem etwas entgeht. Bei Interviews zu zweit passiert das nicht so einfach. Wir können nach dem Gespräch, gemeinsame Schlüsse ziehen, und über unsere Beobachtungen sprechen, um sicherzustellen, dass wir nichts falsch verstanden haben.

Einfach weiterfragen

Gerade am Beginn eines Projekts wissen wir noch nicht, was uns in den Interviews erwartet. Wir wissen noch nicht genau, wonach wir suchen, was wichtig ist, und was nicht. Nachdem wir eine gute erste Frage gestellt haben, fragen wir deshalb einfach weiter. Wenn unser Interview-Partner ruhig wird, ermuntern wir ihn dazu, uns mehr zu erzählen: Können Sie das etwas genauer beschreiben?

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Wir stellen uns das vor, als würden wir am Lagerfeuer sitzen. Unser Interview-Partner ist der, dessen Gesicht mit einer Taschenlampe beleuchtet wird, und der uns eine spannende Geschichte erzählt. Wir hängen ihm wie gebannt an den Lippen, und fragen gelegentlich, und was ist dann passiert? oder was hast du dann gemacht? Alles was wir wollen, ist unseren Gesprächspartner erzählen zu lassen.

Ein paar Schlüsselfragen vorbereiten

Bis jetzt hört es sich nach einem Gespräch mit einem alten Freund an. Genauso soll sich ein Interview auch anfühlen. Trotzdem gibt es bestimmte Dinge, die wir im Vorfeld besprechen, und die wir den Interview-Partner auf jeden Fall fragen möchten. Je nach Interview gibt es 3 bis 5 Themengebiete, die wir besprechen wollen, wobei wir pro Themengebiet ein handvoll Fragen vorbereiten.

Bei Telefon-Interviews haben wir einen Zettel mit bereits formulierten Fragen vor uns liegen. Das hat den Vorteil, dass der Interviewer den Zettel, wie eine Art Todo-Liste durchgehen kann, um sicher zu stellen, dass kein wichtiges Themengebiet übersehen wurde. Bei Interviews vor Ort, ist es die Aufgabe des Schreibers, die Themengebiete anzuschneiden, die der Interviewer ausgelassen hat.

Nach jedem Interview kurz beraten

Wir haben gelernt, dass es hilfreich ist, direkt im Anschluss an das Interview, kurz darüber zu sprechen. Was war gut, was nicht? Haben wir etwas Bemerkenswertes gelernt, irgendetwas, das wir vorher noch nicht wussten? Hat das Interview vielleicht Fragen aufgeworfen, auf die wir, in den kommenden Interviews nach Antworten suchen könnten?

Diese fünf- bis zehnminütigen Gespräche reichen meistens aus, um uns ein gemeinsames Bild des Interview-Partners zu machen. Bei Interviews mit Auftraggebern und Projektbeteiligten kommt es vor, dass wir die Gesprächsnotizen nie wieder ansehen, weil wir alles Wichtige noch immer im Kopf haben. Der Grund dafür ist, dass wir keine Ja/Nein-Antworten erhalten, sondern echte Geschichten hören, die wir gemeinsam wiederholen, und somit für lange Zeit im Gedächtnis behalten können.

Kurze Zusammenfassung

Interviews sind die Grundlage für jedes Design-Projekt. Damit Interviews gelingen, kommt es vor allem auf die erste Frage an. Es ist wichtig, dass die erste Frage mit einer Geschichte beantwortet werden kann. Danach muss man den Interview-Partner nur noch weiterfragen, bis man alle wichtigen Themengebiete anschneiden konnte. In der Regel dauert ein Interview 45 bis 60 Minuten. Telefon-Interviews sind erfahrungsgemäß etwas kürzer.

Interviews besser nicht alleine machen. Erstens weil man mitschreiben sollte, und zweitens, weil Zwei mehr sehen als Einer. Wichtig ist es, dass man sich nach dem Interview kurz zusammensetzt, um das Gespräch Revue passieren zu lassen. Diese gemeinsame Wiederholung der gerade eben gehörten Geschichten, hilft dabei die Informationen im Gedächtnis zu behalten, um somit später seine Design-Entscheidungen anhand dieser Daten treffen zu können.

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Bisher 2 Kommentare

  1. Pingback Usability-Tests mit Papier-Prototypen | Simplease Blog30. Oktober 2011

    […] Routes sollten immer auf echten Daten beruhen, die man z.B. in Benutzer-Interviews erhoben hat. Sobald wir eine Red Route identifizieren konnten, beginnen wir damit Skizzen der […]

  2. Pingback Benutzer-Interviews: Wie man das Rätselraten aus dem Design-Prozess entfernt | Simplease Blog2. April 2012

    […] bereits in diesem Artikel über die Geheimnisse eines Interviews beschrieben, fühlen sich unsere Gespräche an, als würden wir mit einem alten Freund sprechen, […]

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